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Ahmad Dakka: Vom Flüchtling zum Apotheker

Junger Syrer findet nach 18-monatiger Odyssee Zuflucht im Lahn-Dill-Kreis und hilft nebenbei, ein Fachkräfteproblem zu lösen.

Ahmad Dakka ist dankbar. Dankbar dafür, dass er aus der inzwischen völlig zerstörten ehemaligen syrischen Rebellenhochburg Homs sein nacktes Leben retten konnte, dankbar dafür, dass er seine anderthalb Jahre dauernde abenteuerliche Flucht unversehrt überstanden hat und auch dankbar dafür, Menschen, wie Angela Lueder aus Greifenstein getroffen zu haben. Die ehemalige Deutschlehrerin nahm sich des 25jährigen und sechs weiterer Flüchtlinge an, vermittelte erste Sprachkenntnisse und machte sie mit den Gepflogenheiten des Alltags vertraut. Heute steht Ahmad eine berufliche Karriere als Apotheker offen. Und ganz nebenbei löst er dabei auch ein Personalproblem der Victoria Apotheke in Ehringshausen.

Aber der Reihe nach: Nach seinem Pharmaziestudium in Syrien flüchtete der junge Mann 2013 in den Libanon. Dort suchte er sich eine Beschäftigung und wollte so lange im Nachbarland bleiben, bis sich die Lage in Syrien wieder stabilisiert. Im Libanon durfte Ahmad aber nur ein Jahr bleiben, so dass er kurz vor Ablauf des Ultimatums seine Flucht in die Türkei fortsetzen musste. Auch dort arbeitete der Jungakademiker, musste dann aber den gefährlichen Weg über das Mittelmeer nach Griechenland nehmen. Dort traf er auf seinen Bruder und seinen Cousin. Zu dritt setzten die jungen Männer die Flucht über die Balkanroute fort. Nachdem die Einreise in Mazedonien erst im vierten Anlauf gelang, wurden sie dort ohne Angabe von Gründen mit vierhundert weiteren Flüchtenden in einer Turnhalle inhaftiert. Dabei wurden ihnen sämtliche Kommunikationsmittel abgenommen. Nach 25 Tagen intensiver Proteste der inhaftierten, wurde die Öffentlichkeit aufmerksam, so dass sich der Balkanstaat gezwungen sah, die Inhaftierten freizulassen. Über Serbien, Ungarn und Österreich erreichte das Trio im Juni 2015 schließlich deutschen Boden.

Apothekerin sucht seit zwei Jahren Fachkräfte

Angela Lueder erkannte auch das berufliche Potenzial der Flüchtlinge und vereinbarte einen Termin bei der Wetzlarer Arbeitsagentur. Die Arbeitsvermittlerin bot den Dreien ein speziell für Flüchtlinge konzipiertes Seminar an. Unter dem Titel „Perspektive für Flüchtlinge (PerF)“ bereiten Bildungscoaches des Berufsfortbildungswerks (bfw) Wetzlar im Auftrag der Agentur für Arbeit die Teilnehmer zwölf Wochen lang auf die Arbeitssuche vor. Daniel Konnerth ist einer von ihnen und berichtet: „Zunächst profilen wir die Teilnehmer und suchen nach ihren Potenzialen. Bei Ahmad haben wir sofort die Anerkennung seines Studienabschlusses in Angriff genommen. Zu den Lehrgangsinhalten gehört neben dem Deutschunterricht auch eine grundlegende Information über den deutschen Arbeitsmarkt, die Möglichkeiten der Arbeitsplatzsuche und ein sechswöchiges Praktikum“. Das bfw vermittelte den jungen Pharmazeuten als Praktikanten an die Victoria Apotheke in Ehringshausen – ein Glücksfall, wie sich schnell herausstellte. Denn die Inhaberin, Danya Kanawati-Wachter, sucht bereits seit zwei Jahren erfolglos nach zwei approbierten Mitarbeitern für ihr Unternehmen. „Der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Obwohl ich anfangs etwas skeptisch war, habe ich Ahmad als Apothekenhelfer ins Praktikum übernommen.“ Inzwischen sei der junge Mann aus der Apotheke kaum mehr wegzudenken. Nachdem das Praktikum und damit auch das PerF-Seminar beendet waren, schloss sich unmittelbar ein 600-Stunden Intensivsprachkurs des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) an. Hier intensiviert der junge Greifensteiner vormittags in Wetzlar seine Sprachkenntnisse, um nachmittags in Ehringshausen sein Engagement in der Apotheke als Minijobber fortzusetzen. „Das komplette Team war froh, als es hörte, dass Ahmad auch nach dem Praktikum bei uns bleibt“, freut sich seine Chefin, die den neuen Mitarbeiter als ‚extrem wissbegierig und talentiert‘ beschreibt. Gemeinsam mit Ahmad treibt sie die Approbations-Anerkennung vor der Apothekenkammer voran. „Ahmad muss seine bereits sehr guten Deutschkenntnisse noch auf das Niveau C1 (Anm. d. Red.: fünfte Stufe einer insgesamt sechsstufigen Kompetenzskala des Goethe-Instituts) anheben, dann wird er zur Prüfung zugelassen. Ich bin mir sicher, dass er in spätestens einem Jahr als Apotheker bei uns arbeiten darf. Dann werde ich ihn auch Vollzeit beschäftigen, so dass er seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann“, berichtet Danya Kanawati-Wachter weiter. Ahmad ist inzwischen als Asylberechtigter anerkannt und fühlt sich in jeder Hinsicht in Deutschland angekommen.

Auch Ahmads Bruder ist Facharbeiter

Für Bildungscoach Konnerth steht jetzt die Integration von Ahmads Bruder auf der Agenda. „Er hat im Betrieb seines Vaters Steinmetz gelernt. Nachdem ich Fotos seiner Arbeiten gesehen habe, bin ich mir sicher, dass wir auch ihn in kürzester Zeit als Facharbeiter beruflich eingliedern werden“.

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